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FREDERICK WISEMAN über LA DANSE |
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Ich weiß, dass es nicht dauert, weil der Auftritt vergänglich ist, aber ebenso der Körper. Es ist ein großes Privileg, den Menschen zuschauen zu dürfen, die sich diesem Leben geweiht haben, und die diesen Kampf gegen den Verschleiß und den Tod nicht gewinnen können, oder nur für eine sehr kurze Zeit. Das berührt mich sehr: dass Tanz so flüchtig ist. |
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Wenn ich die Körper der Tänzer betrachte, muss ich an die Körper im Alltag denken, die Leute, die an Maschinen stehen oder eine Mahlzeit zubereiten. Immer geht es um eine Geschichte der Gesten. |
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Für mich geht es in diesem Film nicht nur um Tanz. Es stimmt, dass er sich mit den Proben, den Aufführungen und damit beschäftigt, wie die Tradition durch die Ballettmeister von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird; und mit den Schritten, um in der Hierarchie bis zum Startänzer aufzusteigen. Aber für mich hängt das alles auch mit den Institutionen zusammen, wie die Verwaltung des Tanzes funktioniert, und mit dem Verhältnis dieser Verwaltung zu den anderen Bürokratien in Frankreich. |
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Das ist eigentlich sehr französisch. Es spiegelt einen Aspekt des heutigen Lebens in Frankreich und der Geschichte wider. Frankreich ist wirklich ein hierarchisches Land, ja sogar ein Land von Kasten. Wenn man das mit meinem Film über das AMERICAN BALLET THEATRE (1995) vergleicht, sieht man die Unterschiede zwischen Hierarchiefragen in Frankreich und Amerika, wo die Klassen durchlässiger sind, und das interessiert mich sehr. Ich habe das auch an der COMÉDIE FRANCAISE (1996) vorgefunden, in der Art, wie dort inszeniert wird, und den Machtkämpfen ... |
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Im Übrigen braucht eine Tanzkompanie von 150 Tänzern eine Stütze, um zu existieren. Eine Verwaltung, die alles organisiert, ist etwas sehr praktisches. Und es ist interessant, dass der Verwalter eine Frau ist. Man kann den Führungsstil an der Comédie Francaise zum Vergleich heranziehen. Dort wird die Macht geteilt, es gibt viele Clans, die häufig einer den anderen bekriegen. Hier beim Ballett der Pariser Oper hat die Verwalterin alle Macht. Sie ist keine Diktatorin, aber sie trifft alle Entscheidungen. Bemerkenswert, wenn man diese beiden großen kulturellen Institutionen Frankreichs vergleicht ... |
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Die Patronin kümmert sich sehr um die Truppe und wird sehr respektiert. Sie fangen ja alle ganz jung an, mit der Vorstellung, den anderen zu folgen. Ich habe auch an der Schule in Nanterre gedreht, was nicht im fertigen Film ist. Jedesmal wenn mir die jungen Tänzer dort auf den Korridoren begegneten, verbeugten sich die Mädchen vor mir und grüßten mich die Jungen. Wie auf einer Plantage, wo die Sklaven den Meister grüßen, und ein wenig wie bei der Armee. Man muss den anderen folgen, muss diszipliniert sein. Sie gewöhnen sich von Anfang an, dem Choreographen, Lehrer, Ballettmeister Folge zu leisten; sie sind voller Respekt. Und alle Tänzer kommen aus dieser Schule, und alle Tanzkompanien sind ein Widerhall davon, weil sie dadurch die Truppen nach ihrem je eigenen Stil formen können ... Das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe mich gefragt, warum ich das bei meinen Söhnen nicht auch so gemacht habe. Dann würden sie jetzt immer wenn sie mich sehen in Habacht-Stellung gehen ... (lacht). Aber das ist wirklich interessant, das Phänomen einer solchen Disziplin! |
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